Ende März hatte sich die letzte Gruppe von der Refugee Support Tour aufgemacht, um Geflüchtete zu unterstützen – erneut nach Idomeni. Dort halfen sie eine Schule für die Kinder aufzubauen, die oft schon seit Jahren keinen Unterricht mehr besucht hatten und Erwachsende. Ein Bericht von einem ganz besonderem Projekt.
Am 09.April startete das „idomeni cultural center“, in dem Kinder und Erwachsende Unterricht bekommen können. Das Projekt ist von der IHA initiiert und durchgeführt worden. Florentine, die mit der Refugee Support Tour nach Idomeni aufgebrochen war, schrieb an diesem Tag: “ Die erste begrüßungsstunde war unglaublich laut, chaotisch und voller Freude. Der Vormittag ist für die Kinder. Von 9 bis 15 Uhr haben Sie Musik, Sport, Kunst. Lernen Mathe, englisch, kurdisch, arabisch. Lesen und schreiben. Nachmittags werden die Erwachsenen unterrichtet. Uns ist wichtig, dass es auch für die älteren einen bildungszugang und eine Möglichkeit sich zu beschäftigen gibt. Der Fokus der Organisationen in idomeni liegt, wenn überhaupt, auf den Kindern. Natürlich. Sie sind zerbrechlich, angreifbar. Aber auch die Erwachsenen und Jugendlichen haben dinge gesehen und erlebt, die wir uns nicht vorstellen können und sind zudem noch die Personen, die sich um die Kinder kümmern und sie erziehen.
Ab 15:30 lernen die Frauen und Männer Deutsch, Englisch und Kalligraphie. Eine andere deutsche Frau und ich unterrichten den Deutschkurs. Wir sind die einzigen Lehrer, die nicht aus dem Camp sind. Zuerst wollten wir keinen deutsch-Unterricht anbieten, da wir wissen, dass es falsche Hoffnungen schüren kann. Im Moment kommt keiner nach Deutschland und viele werden es nie schaffen. Aber es haben uns so viele Menschen darauf angesprochen, dass wir uns am Ende trotzdem entschlossen haben, den Unterricht zu geben.“
Eine Woche später berichtet Florentine:
„Unsere Schule/cultural Center wächst. Mittlerweile besuchen mehr als hundert Kinder unsere kleine Schule. Es gibt auch Farsi Unterricht. Gestern haben wir mit Spielzeug, Schulzubehör und Kleidung vollgepackte, neue Rucksäcke verteilt, die wir von drei deutschen Männern gespendet bekommen haben.
Wir organisieren Toiletten und richtige Waschbecken. Es soll Therapie Stunden geben und ein Informationspunkt für das bestehende asylverfahren. Wir planen eine Anlaufstelle, an die sich Menschen wenden können, wenn sie Gewalt gegen Kinder miterleben bzw. vermuten.
Wir planen, organisieren und bauen zusammen mit den Menschen aus dem Camp, die vor allem vom bauen, oft mehr verstehen als wir. Diese Schule ist keine dauerhafte Lösung und das darf sie auch nicht sein. Wir wollen den Menschen lediglich eine vorübergehende Möglichkeit bieten, zu lernen, andere zu lehren und aus dieser ausweglosen Situation das bestmögliche zu machen.“
Letzte Woche schrieb Florentine:
Heute hatten wir rund 170 Kinder in den Klassen von 9.00-14.00 Uhr. Das bedeutet natürlich auch mehr Arbeit. Grade arbeiten wir an einem System, die Kinder mit Name und Alter zu registrieren, um die Klassen besser planen zu können. Mittlerweile gibt es jeweils vier Fächer zur selben Zeit, um allen Kinder einen qualitativen Unterricht ermöglichen zu können – und natürlich die Lehrer nicht in den Wahnsinn zu treiben. Seit gestern sind wir in Zusammenarbeit mit Psychologen, die ab morgen ihre ersten Therapie-Stunden, für Kinder und erwachsene starten werden. Auch spezielle anti-Gewalt Workshops sind in Planung, da viele Kinder durch ihr starkes Trauma eine sehr starke gewaltbereitschaft untereinander haben. Erwachsene auch. Wir müssen damit umgehen. Das ist keine normale Schule und idomeni ist kein normaler Ort zum Leben. Es ist eigentlich überhaupt kein Ort zum Leben.
Gestern haben wir einen syrischen Zahnarzt mit ins Lehrer-Team bekommen, der den Kindern „zahnputz-Unterricht“ geben wird. Viele haben starke Zahn Probleme, da sie durch den süßen Tee und schlechtes Essen extrem viel Zucker zu sich nehmen und oft nicht mal eine Zahnbürste besitzen. Jeden Tag kommen neue Lehrer und Schüler. Wir sind jeden Tag von 9.00-21.00 Uhr in der Schule. Das alles ist nur möglich, da uns mittlerweile viele privatpersonen und NGOs mit Geldspenden und Schulzubehör unterstützen. Das Hauptzelt mit dem Boden. Der Sonnenschutz. Der Außenboden. Die Bänke. Das kleinere Nebenzelt. Das tägliche Frühstück und Mittagessen. Notizbücher, Blätter und Stifte. Lehrbücher und zweisprachige Lexika. Das alles könnten wir finanziell alleine niemals stemmen. Die Eröffnung des “Idomeni Cultural Center” ist für uns alle hier ein Meilenstein und wir sind sehr glücklich und stolz auf diesen Ort, denn er ist ein kleiner Lichtblick in Idomeni.