1. Bericht aus Idomeni: Katastrophe in Wartezustand

Seit Montag sind drei unserer Aktiven in Idomeni direkt an der griechisch-mazedonischen Grenze. Dort müssen seit mehreren Wochen Tausende Geflüchtete ausharren. Mazedonien hält seinen Grenzübergang geschlossen oder lässt nur wenige Geflüchtete hinein. Die Situation ist angespannt und die Lebensbedingungen unzumutbar.

Bereits auf der Autobahn, kurz vor der letzten Abfahrt vor Mazedonien, fallen viele Menschen auf, die mit schweren Gepäck zu Fuß unterwegs sind. Ihr Ziel ist ein Gelände bei dem kleinen Ort Idomeni. Um ein Refugeecamp herum haben Geflüchtete aus Platzmangel provisorisch hunderte Zelte aufgebaut – es ist laut, dreckig, chaotisch. Bei Regen versinkt das Gelände im Schlamm. Überall laufen Kinder herum, schlafen Menschen im Freien oder selbst gebauten Unterkünften. Rund um die Uhr kommen weitere Menschen im Minutentakt hinzu.

Eine Familie auf dem Weg zum Camp bei Idomeni

Die Stimmung im Camp war bis Dienstag Nacht geprägt durch die Auswegslosigkeit seit der Grenzschließung. Die Abschottung Europas zeigt sich hier in ihrer menschenfeindlichen Praxis. Ein Zaun mit Stacheldraht, Polizei und Wasserwerfern versperrt den Menschen den Weg aus ihrer Not. Polizeikräfte aus vielen Staaten Europas unterstützen die mazedonischen Einheiten. Bei Thema Abschottung funktioniert die Solidarität zwischen den Staaten.

Das Tor mit dem die Eisenbahnstrecke nach Mazedonien abgesperrt wird
Das Tor mit dem die Eisenbahnstrecke nach Mazedonien abgesperrt wird

Am Montag Vormittag entlud sich die Perspektivlosigkeit der Menschen. Einige hundert Refugees versuchten das Grenztor zu stürmen. Sie wurden unter Einsatz von Tränengas zurückgedrängt. Augenzeugen berichteten, ein Baby sei bei dem Beschuss durch die mazedonische Polizei verletzt worden. Dass es, wie anfangs behauptet, ums Leben gekommen sei, lässt sich allerdings glücklicherweise nicht bestätigen.

Nach einer dpa-Meldung schrieben die meisten Medien, die Unruhen wären nach einer Falschmeldung ausgebrochen. Demnach hätte sich das Gerücht im Camp verbreitet, die Grenze wäre offen und die Menschen wären deshalb auf das Tor zugeeilt. Tatsächlich hatten mazedonische Behörden einen Tag zuvor den Grenzübergang für 500 Personen in Aussicht gestellt. Am Montag morgen wollten sie nur noch 150 hineinlassen. Dagegen bildete sich der Protest und die Menschen forderten die versprochene Personenzahl.

Erneute Proteste und unsere Arbeit

Am zweiten Tag formierte sich erneut Protest – absolut friedlich. Die Menschen malten Banner mit der Aufschrift „Thanks for the media“, „Germany – help?“ und „We come in peace“. Stundenlang skandierten sie Parolen und berieten, wie sie ihre Situation verbessern können. Für uns ist klar, dass es eine internationale Presse benötigt, die stärker die Perspektive der Geflüchteten in den Blick nimmt. Die allgemeine Berichterstattung begnügt sich zu sehr allein mit den nackten Zahlen und Fakten und bedient darüber hinaus die eurozentristischen Erwartungen. Vielleicht kann sich die Situation auch ändern, wenn sich Refugees organisierter und selbstbestimmter an den Debatten in Europa beteiligen können.

Wartende Menschen protestieren und fordern ein Öffnen der Grenze
Wartende Menschen protestieren und fordern ein Öffnen der Grenze
Transparent bei den Protesten
Transparent bei den Protesten

Wir haben zusammen mit der Human Aid Delivery Mission Essen gekocht und verteilt, sammeln viele Informationen und Kontakte für die größere Tour im März, machen Fotos und nehmen Videos auf, um über die Situation hier zu berichten. Wir sind der Meinung, dass nur eine kritischere Öffentlichkeit und eine stärkere Stimme für Geflüchtete die Situation verbessern kann. Dafür braucht es uns alle. Denn es ist beschämend, wenn Kinder vom Schlamm verdreckt leben und um Essen und Wasser betteln müssen, wenn Eltern sich um Lebensmittel und Windeln streiten und nicht wissen, ob sie irgendwann einmal wieder ein Leben in einem fest gebautem Haus in Frieden mit ihrer Familie führen können. Wenn sich nicht bald etwas an den Zuständen ändert, geschieht hier eine Katastrophe, mitten in Europa.

Für unsere Arbeit und die zukünftigen Touren sind wir auf eure Spenden angewiesen: www.refugee-support-tour.eu/spenden
Wenn ihr auch vorstellen könnt, eine eigene Tour zu organisieren oder mitzufahren: www.refugee-support-tour.eu/mitfahren

Mehr Fotos bei Tim Lüddemann

Kind sitzt in einem Zelt mitten im Schlamm
Nach nur leichtem Regen steht das halbe Gelände im Schlamm
Menschen drängen sich an einem Autofenster um Essensspenden von einer Helferin zu bekommen

3 Kommentare


  1. Niko Rabe

    Ich empfinde die allergrößte Hochachtung und auch Dankbarkeit gegenüber den Helfern an den Brennpunkten in den Kriegsgebieten und im eigenen Land. Sie leisten wahrlich Übermenschliches ! Und ich hoffe sehr, dass es sehr bald ein Einlenken in Europa gibt und man sich endlich einig wird im Kampf um Frieden. Aber leider habe ich den Glauben daran verloren. Schlimm ist die eigene Hilflosigkeit.

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  2. Marlies Osenberg

    Wie können die Verantwortlichen für diese Unmenschlichkeit noch ruhig schlafen? Ich kann das jedenfalls nicht. Ich wache auf und denke an die Menschen in Idomeini und andernorts. Dank an alle die dort helfen und für euren Protest gestern. Bitte ändern Sie Ihre Meinung Frau Bundeskanzlerin Merkel und lassen Sie die Flüchtlinge dort nach Europa kommen. Alle Werte, an die ich geglaubt habe, stehen infrage.

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