Bevor wir in den kommenden Tagen noch einen Abschlussbericht fertigmachen, wollen wir nach den Erlebnissen von heute Nacht einen Überblick über die Zustände hier geben.
Viele Menschen müssen mit ihren Zelten auf Ackerfeld schlafen, deshalb besteht bei Regen immer die Gefahr, dass ihre Unterkünfte untergehen. Da es in dieser Nacht geregnet hatte, wollten wir das überprüfen. Die Kamerateams und die meisten Fotograf*innen sehen diesen Zustand meistens gar nicht, da sie erst gegen Mittag ins Camp kommen. Bis dahin sind nächtlicher Regen und Schlamm wieder verschwunden.
Unsere Befürchtungen haben sich leider bestätigt. Das halbe Gelände steht unter Wasser, viele Zelte sind komplett nass. Besonders für die Kinder ist das besonders schwierig, da sie anfälliger für Krankheiten sind. In fast jedem Zelt sind Kinder, teilweise bis zu vier.
Wir treffen Mohammed, der sich mit anderen Vätern über die Situation beschwert. So wie viele anderen auch hat er mehrere Kinder in seinem Zelt. Er erzählt, dass sie alle krank seien und Husten hätten. Seit einem Monat ist er mit seiner Familie von Syrien unterwegs und seit fünf Tagen in Idomeni. Er findet die Situation unerträglich, möchte so schnell wie möglich weg und dass über die Misstände berichtet wird.
So wie Mohammed geht es Tausenden Menschen hier. Beim Gang durch das Camp hören wir ein regelrechtes Hustkonzert, viele Menschen sind krank. Überall sind nach dem Regen Pfützen und da es für so viele Menschen keine funktionierende Müllabfuhr gibt, liegt überall Abfall herum.
Tagsüber kommen immer mal wieder Privatmenschen und bringen mit ihren Autos Spenden. Sie werden regelrecht überrannt. Die unterversorgten Menschen reissen ihnen alles aus den Händen und streiten sich um Essen, Kleidung, sogar um Klopapier.
Kann nicht bitte mal was passieren,dass die Leute in #Idomeni nicht mehr um Essen/Kleidung/Klopapier kämpfen müssen? pic.twitter.com/1W3p4TG1Fp
— Tim Lüddemann (@timluedde) 3. März 2016
Freiwillige ersetzen staatliche Aufgaben
Es gibt weder vom griechischen Staat, noch von einer der großen Hilfsorganisationen eine warme Mahlzeit. Ärzte ohne Grenzen teilen nur Baguette aus. Die einzigen, die kostenlos eine warme Mahlzeit und Tee anbieten, sind die Independent Volunteers, die allermeisten mit einem linken, anarchistischem Hintergrund. Die Human Aid Delievery Mission kocht in einem extra angemieteten Haus in einem Nachbardorf Tag fuhr Tag Verpflegung für 8000(!) Menschen! Wir haben zusammen mit den Menschen gekocht und Essen verteilt.
Misshandlung von mazedonischer Polizei?
Diese Nacht wurde im Notfallzelt ein Refugee eingeliefert, der von mazedonischen Polizeikräften misshandelt worden sein soll. Seine Freunde berichteten, er sei regulär nach seinem Aufruf durch die griechisch-mazedonischen Grenzanlagen gegangen. Bei der anschließenden Kontrolle in einem Container sollen die mazedonischen Sicherheitskräfte ihn verprügelt und ihn sogar mit einem Elektroschocker malträtiert haben. Ein Journalist, der unter anderem für die Berliner Morgenpost schreibt, gab an, dass die behandelnden Ärzte bestätigten: der Mann wurde geschlagen. Seine Freunde vermuteten, der Übergriff könnte im Zusammenhang damit stehen, dass er an den Protesten gegen für die Grenzöffnung am Montag beteiligt gewesen war.
Militärcamp statt Selbstbestimmung
Die Alternative für die griechische Regierung zu diesem quasi wildem Camp wären neu eröffnete Militärcamps in der Umgebung. Diese gleichen aber eher Gefängnissen. Weder Journalist*innen, noch unabhängige Volunteers hätten Zugang zu dem Gelände. Außerdem soll die Verpflegung dort mangelhaft sein und sich damit nicht groß von der aktuellen Situation unterscheiden.
Für unsere Arbeit und die zukünftigen Touren sind wir auf eure Spenden angewiesen: www.refugee-support-tour.eu/spenden
Wenn ihr auch vorstellen könnt, eine eigene Tour zu organisieren oder mitzufahren: www.refugee-support-tour.eu/mitfahren