Der Bericht wurde von Aktivist*innen im türkischen Dikili auf englisch verfasst und verbreitet – Danke! Übersetzung von uns.
Heute früh am morgen gegen neun Uhr kamen zwei Boote aus Lesbos in Dikili an – ein paar Stunden früher, als offiziell angekündigt. Als erstes kam die „Nazili Zale“ am Pier an, die Geflüchteten wurden einzeln nach draussen gebracht, jede*r bewacht von Sicherheitsleuten. Für uns hat es so ausgesehen, als ob es keine Möglichkeit gab Widerstand zu zeigen.
Viele Offizielle und Politiker*innen lächelten in viele Kameras, da die Präsenz internationaler Medien sehr hoch war. Einer von den Journalisten erzählte uns, dass es kritischen Journalist*innen nicht gestattet war sich zu registrieren. Die Polizei hatte sich ebenfalls vorbereitet, mit Gittern, Helikoptern und Wasserwerfern, aber der eventuell erwartete Protest fiel leider nur gering aus.
Ein Schiff aus Chios war das letzte und die Geflüchteten mussten Stunden in der Nähe des Hafens warten, bis alle Schiffe geräumt wurden.
Einsame Proteste geschützt durch Medienpräsenz
Später war es ein paar Aktivist*innen aus Izmir und ein paar Einheimischen möglich Protestbanner zu zeigen. Unser eigenes Banner „Stop deportations. Open borders!“ wurde von der Polizei entfernt mit der Aufforderung, dass wir ihnen folgen sollten. Allein der großen Medienpräsenz war es zu verdanken, dass wir uns widersetzen und unter dem Schutz der Medien bleiben konnten.
Stop Deportations – Open Borders – stiller Mini-Protest gegen die Abschiebungen. Sonst alles ruhig #Dikili pic.twitter.com/vCIeFk53p7
— Özlem Evans (@OzlemEvans) 4. April 2016
Abgesehen von zwei Menschen aus Syrien (über die gesagt wurde, dass sie freiwillig zurückkehrten) sind alle Geflüchteten aus Algerien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lank (136 aus Lesbos und 66 aus Chios).
Nicht weit davon auf der anderen Seite, auf dem Pier der türkischen Küstenwache, warteten fünfzig Geflüchtete auf das weitere Prozedere. Sie wurden von der türkischen Küstenwache am morgen aufgegriffen, als ihr Boot zu sinken begann. Sie kamen überwiegend aus Bangladesch und Pakistan und wurden mit Bussen zur Polizeistation gebracht. Aufgrund der heutigen Medienpräsenz war es möglich Fotos zu machen und die Situation zu beobachten – normalerweise ist das absolut verboten.
Unklarer Weitertransport
Am morgen war es noch vollkommen unklar, wo die abgeschobenen Menschen aus Lesbos und Chios hingebracht werden sollten – selbst der Bürgermeister von Dikili war nicht informiert, wie uns ein Journalist erzählte. Später bekamen wir die Information, dass alle mit Bussen in ein Camp Nahe der bulgarischen Grenze in der Nähe von Edirne („Kirklareli Gazi Osman Pasa“) gebracht wurden und sie alle bald in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden sollen. Ein paar der Medienvertreter*innen folgten den Bussen. Was mit den zurückgebliebenen Menschen aus Syrien geschieht ist für uns unklar.
Nationalistischer Protest in Dikili
Gestern bis zum späten Abend nutzten viele Menschen auf dem zentralen Platz von Dikili die Möglichkeit, um gegen die Geflüchteten Stimmung zu machen – sie selbst nennen die Geflüchteten „Terroristen“ – diese nationalistische Initiative hatte bereits vor zwei Tagen einen Aufruf gestartet und viele Läden zeigen diesen Slogan in ihren Fensterscheiben. Davon abgesehen war es uns aber auch möglich mit einigen Menschen zu reden, die sich bestürzt über den EU-Türkei-Deal und die türkische Politik zeigten.